Überstunden und witterungsbedingte Arbeitsausfälle zählen zu den großen Herausforderungen im Bauwesen. Beide Fälle sind in der Lohnberechnung kompliziert; zudem fehlen diesbezüglich oft betriebliche Vereinbarungen.
Aufgrund dieser Problematik haben sich die Tarifparteien im Jahr 2007 auf die Arbeitszeitflexibilisierung verständigt. Durch die Einrichtung von Arbeitszeitkonten in Verbindung mit Saison-Kurzarbeitergeld soll auch in der Bauwirtschaft eine ganzjährige Beschäftigung durchgesetzt werden.
Laut einer Umfrage der SOKA-Bau aus dem Jahr 2013 haben mittlerweile über die Hälfte der Baubetriebe in Deutschland die Arbeitszeitflexibilisierungen mit Zeitkonten eingeführt. Trotz dieser positiven Entwicklung wissen viele Betriebe noch nicht um die Vorteile dieses Modells, die auf Arbeitnehmer- wie auf Arbeitgeberseite liegen.
In meinen Seminaren berichten Teilnehmer regelmäßig, wie zufrieden sie mit der Entscheidung für dieses Modell sind. Ich empfehle die Arbeitszeitflexibilisierung daher umso lieber, denn die Vorteile stehen nicht nur auf dem Papier, sondern überzeugen auch in der Praxis.
Vorteile für Bauunternehmer: bares Geld sparen durch Arbeitszeitflexibilisierung
Bei der betrieblichen Arbeitszeitverteilung bleiben die ersten 150 Überstunden, die dem Zeitkonto innerhalb eines Jahres gutgeschrieben werden, zuschlagsfrei. Dass man dadurch durchaus relevante Beträge einsparen kann, zeigt folgendes Beispiel.
Bei einem Mitarbeiter, der in der Lohngruppe 3 mit einem Gesamttarifstundenlohn von 22,14 Euro beschäftigt ist, fällt ein Betrag von 3.321 Euro Überstundenzuschlag zzgl. des Arbeitgeberanteils zur Sozialversicherung und SOKA-Bau weg.
Rechnung:
150 Std. * 22,14 € = 3.321 € * 25 % Überstundenzuschlag = 3.321 Euro zzgl. AG-Anteil SV und SOKA
Flexibilität: Marktvorteil in der Baubranche
Ein weiterer nicht zu unterschätzender Aspekt ist die Tatsache, dass Bauunternehmer oder Handwerksmeister ihre gewerblichen Mitarbeiter flexibler einsetzen können. Das bedeutet konkret, dass sie Auftragsspitzen leichter abfangen, ohne die komplizierte und teure Überstundenabrechnung in Kauf nehmen zu müssen. Der Baubetrieb reagiert so schneller auf Marktbedürfnisse und hat damit einen entscheidenden Vorteil. Nebenbei ist das Zeitkontenmodell noch ein attraktives Argument, um qualifiziertes Fachpersonal zu gewinnen und zu binden.
Arbeitnehmervorteil: Sicherheit und finanzielle Verbesserung für am Bau Arbeitende
Die Sicherheit einer ganzjährig durchgängigen Beschäftigung ist für viele gewerbliche Arbeiter ein klares Entscheidungskriterium für einen Betrieb. Zumal damit auch konkrete finanzielle Vorteile einhergehen.
Bei witterungs- und/oder konjunkturell bedingten Arbeitsausfällen in der Zeit vom 1. Dezember bis 31. März werden die zuvor angesparten Arbeitszeitguthaben eingesetzt, bevor Saison-Kurzarbeitergeld von der Arbeitsagentur gewährt wird. Die Arbeitnehmer erhalten für jede zur Vermeidung von Saison-KuG eingebrachte Guthabenstunde aus ihrem Arbeitszeitkonto ein „Zuschuss-Wintergeld“ in Höhe von 2,50 Euro netto von der Arbeitsagentur. Dadurch bekommen die Arbeitnehmer in den Schlechtwettermonaten bei Ausfallzeiten einen zum Teil erheblich höheren Nettolohn als Mitarbeiter ohne Arbeitszeitkonto. Diese erhalten lediglich die Saison-KuG-Förderungen der Arbeitsagentur.
TIPP
Der Anspruch auf Zuschuss-Wintergeld ist nicht mehr nur auf witterungsbedingte Ausfallstunden in der gesetzlichen Schlechtwetterzeit beschränkt, sondern kann auch für Ausfallstunden aus wirtschaftlichen Gründen, z. B. wegen Auftragsmangel, in dieser Zeit gewährt werden.
Auf dem Ausgleichskonto wird die Differenz zwischen dem Lohn für die tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden und dem laut vereinbarten Ansparmodell auszuzahlenden Lohn gutgeschrieben oder in Abzug gebracht.
Möglichkeiten der Arbeitszeitflexibilisierung am Bau
Variante 1)
Variante 2)
Variante 3):
Praxisbeispiel: Auswirkungen der verschiedenen Varianten
An folgendem Beispiel wird klar, was die unterschiedlichen Varianten des Arbeitszeitkontenmodells konkret bewirken:
Ein Arbeitnehmer hat in einem Monat 188 bezahlte Stunden.
Variante 1 rechnet mit der tariflichen Sommer-/Winterzeit. Hier wird eine täglich verlängerte Arbeitszeit im Sommer berücksichtigt.
Variante 2 legt eine gleichbleibende Sollarbeitszeit von 173 Stunden monatlich zugrunde. Dieses Modell ermöglicht einen nahezu gleichbleibenden Monatslohn. Ein praktischer Ansatz, mit dem sich auch gut planen lässt.
Variante 3 bezieht sich auf die unterschiedlichen Sollstunden eines jeden Monats. Für den Augut 2024 hätte das für unseren Beispielarbeitnehmer bedeutet:
17 Arbeitstage (Mo–Do) mit 8,5 Std.
5 Arbeitstage (Freitag) mit jeweils 7 Stunden
Dieses Modell ist gut geeignet für Betriebe und Mitarbeiter, die immer die ausgezählten Stunden eines Monats als Basis wünschen.
Achtung: geschütztes Guthaben
Bei der Verwendung des Guthabens auf dem Ausgleichskonto müssen Sie ein paar Regeln beachten.
Es darf ausschließlich verwendet werden:
Darüber hinausgehende Entnahmen aus dem Konto sind nur in streng festgelegten rechtlichen Ausnahmen zulässig. Zu weiteren Auskünften wenden Sie sich bitte an Ihre zuständige Agentur für Arbeit.
TIPP
Denken Sie daran, dass Sie die Guthaben absichern müssen!
Laut den Bestimmungen der Bundesrahmentarifverträge sind Arbeitgeber dazu verpflichtet, für die Guthaben eine Insolvenzschutzversicherung vorzunehmen. Beachten Sie dabei, dass die Absicherung des Guthabens neben dem Bruttolohn noch einen Zuschlag von 45 % für den Sozialaufwand umfassen muss.
Folgende Absicherungswege sind denkbar:
a) Bürgschaft bei einem Kreditinstitut
b) Kautionsversicherungen bei einer Versicherungsgesellschaft
c) Branchenlösung für die Bauwirtschaft über die SOKA
Für die Bauwirtschaft wurde seitens der SOKA (Sozialkasse Bau) die Sikoflex-Lösung entwickelt.
Für welche Variante der Arbeitszeitflexibilisierung Sie sich auch immer entscheiden mögen, die Vorteile sprechen für sich. Sie haben Fragen? Dann zögern Sie nicht, sich an mich oder meine BRZ-Kollegen zu wenden.
Ihr Lutz Dannemann